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24.10.2025

Zu viele Mängel: Fahrgäste bleiben auf der Strecke
Einsatz von On-Demand-Verkehren oft systemwidrig

Es hört sich so gut an: Der Öffentliche Verkehr fährt wann und wo man ihn braucht. Doch in der Praxis herrscht vielerorts Ernüchterung: On-Demand-Verkehre bringen dem Öffentlichen Verkehr trotz hoher Kosten nur geringen Nutzen. Wo im Gegenzug klassische Linienkonzepte aufgegeben werden, treten sogar gravierende Verschlechterungen der Nutzbarkeit ein. Mit einem systemdienlichen Planungsansatz könnten On-Demand-Verkehre Vertrauen und Fahrgäste zurückgewinnen.

Bei einem landesweiten Online-Mitgliedertreffen des Fahrgastverbands PRO BAHN Baden-Württemberg ließen die Mitglieder kaum ein gutes Haar an der hochgejubelten und mit viel öffentlichem Geld realisierten neuen Mobilitätsform der On-Demand-Shuttles.

„Konzepte und Technik sind oft nicht ausgereift, werden aber auf die Fahrgäste losgelassen. Das ist, was bei uns Fahrgästen ankommt,“ so Joachim Barth, Landesvorsitzender des Fahrgastverbands: „Fahrgäste, die ihre Termine nicht mehr zuverlässig erreichen, sind aber bald keine mehr.“

Als On-Demand-Verkehre werden Angebote bezeichnet, die ohne Fahrplan rein anforderungsbasiert innerhalb ihrer festgelegten Bedienungsgebiete verkehren. Derlei Ergänzungen sind grundsätzlich zu begrüßen, können sie doch die flexible Erschließung entlegener Orte ermöglichen. Ist das Bedienungsgebiet pro Fahrzeug jedoch zu groß, kippt der Vorteil der totalen Flexibilität schnell ins Gegenteil, da die Anfahrtswege zu lang werden und Fahrtwünsche nicht mehr erfüllbar sind.

An den konkreten Beispielen der Bedienungsgebiete um Geislingen/Steige im Kreis Göppingen und Besigheim im Kreis Ludwigsburg wurden zahlreiche Mängel aufgezeigt:

- Lücken im Netz werden von den begrenzten Bedienungsgebieten oft nicht geschlossen.

- Mangels Fahrplan weiß man überhaupt nicht mehr, welches Ziel in welcher Fahrtzeit erreicht werden kann. Fahrtrouten und -zeiten wechseln nachfrageabhängig ständig. Die Termine bzw. Anschlüsse der Fahrgäste werden nicht mehr zuverlässig erreicht.

- Das System entzieht sich einer Qualitätskontrolle, da man nichts Bestimmtes davon erwarten kann.

- Durch die Notwendigkeit der Vorbestellung werden technische Zugangshürden geschaffen. Gerade die Teile der Bevölkerung, die besonders auf ÖV-Angebote angewiesen sind, haben besonders oft keinen Zugang zur entsprechenden Technik oder sind nicht damit vertraut.

- Buchungsfrist: Eine spontane Nutzung ist nicht möglich, selbst wenn ein Fahrzeug passend verkehrt.

- Die Ausstattung mit Fahrzeugen ist oft insgesamt zu gering, um einen nennenswerten Anteil am Gesamtverkehr zu erbringen.

- Einzel- statt Sammeltransport: Die Algorithmen der Fahrplanauskunft sind nicht ausgereift, sodass ein Pooling (Zusammenfassung mehrerer Fahrtwünsche) oft nicht stattfindet. Es werden unsinnige Umwege angeboten. Ökologische Motive der ÖV-Nutzung werden konterkariert.

- Auffindbarkeit: Die bundesweit wichtigste Auskunftsseite www.bahn.de zeigt die Verkehre gar nicht erst an.

- Fehlende verkehrliche Aufgabenstellung: Einerseits werden durch die Bedarfsverkehre bestehende Linien konkurrenziert, andererseits die fehlenden Quervernetzungen aber nicht hergestellt.

„Angesichts der beträchtlichen öffentlichen Mittel, die für diese Systeme aufgebracht werden, wäre eine selbstkritische Bewertung der erzielten Effekte dringend angezeigt,“ fordert Matthias Beß, stellvertretender Vorsitzender des Fahrgastverbands: „Stattdessen werden selbst kleinste Beförderungszahlen als Erfolg gefeiert.“

„On-Demand-Verkehr ist eine Überlegung wert, wenn dadurch kleinräumige Erschließungslücken geschlossen werden,“ ergänzt Beß. „Die notwendige Zuverlässigkeit gibt es aber im klassischen Linienbetrieb, der nicht aufgegeben werden darf.“ Beide können sich gut ergänzen, wenn sie gemäß ihrer Stärken eingesetzt werden: Express-Busse stellen schnelle, geradlinige Verbindungen zwischen Knotenpunkten her und Rufsysteme tragen die Zeitgewinne der Busse in die Fläche.

In Summe sollten On-Demand-Verkehre das vorhandene System unterstützen, sich in bestehende Takte einfügen, Anbieter des öffentlichen Verkehrs vor Ort stärken und kostengünstig sein. „Wir Fahrgäste bitten alle Aufgabenträger dringend, den Einsatz von On-Demand-Verkehren unter diesen Aspekten zu prüfen und ggf. zu korrigieren,“ so Barth. „So kann On-Demand den richtigen Platz in der ÖV-Landschaft finden und zur Verbesserung des Angebots beitragen.“

Kontakt:
Matthias Beß

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letzte Aktualisierung: 10/2025